"Sie schmunzelte, als sei ihre Wirkung ein ganz privates Vergnügen, das man wie einen guten Cognac still genießt." Ralf Isau

Dienstag, 12. Juli 2011

Brigitte Abonnement

Wie ich Brigitte Abonnenntin wurde.


Es war ein strahlender Himmel, der blau und klar über der Stadt spannte. Besonnenbebrillt flanierte ich durch die Einkaufspassagen und probierte mein neues Frau-von-Welt Image wie man Kleider anprobiert. Und ganz nach dem Motto "Nichts führt zu mehr Erfahrung, als vollkommene Ahnungslosigkeit" schwebte ich meinem Untergang entgegen. Ein schlaksiger Kerl, mit Armen, die an ihm herunter hingen, als wüsste er nicht, wohin mit ihnen, stand an der U-Bahn Station herum und lächelte schon von weitem.

"Hallo, hallo, entschuldigen Sie bitte!", sprach er mich höflich an. Seine großen murmelförmigen Augen glänzten kohlenschwarz in der Sonne.
Als Frau-von-Welt, die ich ja nun einmal war, hatte ich natürlich alle Zeit der Welt und blieb stehen.


"Ich mache hier eine Umfrage. Für den Stern. Wissen Sie? Ich möchte Ihnen nur anonym ein paar Fragen stellen. Ginge das?"
Ich nickte nur.
Es folgten ein paar harmlose Fragen darüber, ob ich schon einmal Drogen probiert oder gar süchtig nach ihnen gewesen wäre, was ich verneinte (es sei denn, Kaffee ist eine Droge).
"Prima," er machte ein Häkchen auf seinem Papier, "vielen Dank. Das war´s auch schon."
Ich wollte mich also gerade abwenden und mich schlammartig in dem Gefühl suhlen, dass ich eine gute Tat verrichtet hätte, als er mich noch einmal am Arm berührte.
"Ich hab´da nur noch eine kleine Frage... oder mehr eine Bitte."

Jetzt folgte ein Kurzabbriss seines Lebens. Kinderheim. Schläge von Betreuern. Abgehauen. Obdachlosigkeit. Drogen. Natürlich Drogen. Viele Drogen.
Aber jetzt sei er clean. Er hätte sogar Arbeit. Er würde nämlich für ein Magazin arbeiten, das nur für Menschen wie ihn gegründet worden sei. Es sei ein Magazin über Drogenabhängigkeit und jenes Magazin braucht Leser. Leser, die die Existenz und Arbeit jener Exjunkies sicherten. Das könne man schon mit 2 Euro im Monat. Und 2 Euro sind ja wirklich nicht viel. Nein, wirklich nicht. Das fand ich auch.



Er hielt mir einen Wisch hin, den ich unterschreiben sollte. Ich sah ihn mir genau an. Heutzutage konnte man ja nie wissen. Doch trotz hundertprozentiger Sehkraft, fehlte einem manchmal der Durchblick, deshalb unterschrieb ich wagemutig. Der Kerl lächelte demütig. 


Einige Wochen später trudelte die Brigitte bei mir in´s Haus und beglückwünschte mich auf dem Willkommensschreiben zu meinem Abonnement.


Ich hatte Anerkennung erwartet und fand mich in jenem Moment, als ich den Brief öffnete, von einem rektalen Kriecher gehängt. 

Mitgefühl ist eben die Mutprobe unserer Zeit.


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