"Sie schmunzelte, als sei ihre Wirkung ein ganz privates Vergnügen, das man wie einen guten Cognac still genießt." Ralf Isau

Mittwoch, 13. Juli 2011

Harald

Männer ohne Haare sind wie Wiesen ohne Blumen. Irgendwie nackt. Unvollständig.


Campfire - A stop motion short by Dan MacKenzie from Dan MacKenzie on Vimeo.
Heute Morgen traf ich meinen besten Kumpel Harald in unserem Lieblingscafé zum Frühstück. Bei Spiegelei und Nutellabrötchen besprachen wir den Untergang der Mänenrwelt. Harald ist Tatowierer.
Er erzählte von einem Mann, den er heute im Genitalbereich tatowiert hatte. Er wirkte entrüstet. Brötchenkrümel hatten sich in seinem Vollbart verfangen, als er erzählte:

"Kein Haar. Diese Flachpfeife war komplett rasiert.
"
Ich nippte an meinem Kaffeebecher.
"Also, Harald. Ich find ja so buschige Aussichten auch nicht so toll."

Harald warf mir einen Blick unter hochgewölbten Augenbrauen zu, dann wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund.
"Nur Schafe lassen sich scheren. Dann lieber mit den letzten Wölfen heulen!" Haralds Lederjacke knarzte, als er sich vorbeugte, um noch eine Brötchenhälfte zu beschmieren. "Achwas," erwiderte ich, "die wahre Herrlichkeit erkennt Frau in der Wüste viel eher, als im Wald." Ich erwartete ein Lachen. Aber Harald zuckte nur die Schultern.

"Männer werden immer androgyner." Ich horchte auf. Wenn Harald ein Fremdwort benutzte, war es ihm ernst.
"Gar nicht so lange her, da hat mich so´n Fuzzi in Anzug auf der Straße angerempelt. War der Meinung, ich ginge ihm aus dem Weg." Er lachte heiser.
"Hielt sich für was Besseres. Und weißt du, was er auf meine geballten Fäuste erwidert hat?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Dass er die Polizei rufen will! Sowas! Die Polizei! Früher hat man sich kurz geprügelt und hinterher ein Bierchen zusammen getrunken. Heute wird die Polizei gerufen."
Ich winkte ab.

"Harald, was hat denn die Intimrasur mit Androgynie zu tun? Die Schamhaarfrisur ist genauso den Moden unterworfen wie Kleidung."
"Moden sind wie Seuchen! Beides ist ansteckend."


So flogen die Argumente noch ein Weilchen über unsere Brötchenteller hinweg, aber ich war schon weiter mit den Gedanken. Männer gingen gerne shoppen, blieben zuhause und machten den Abwasch. Sie konnten Windeln wechseln und Wäsche waschen. Immer mehr laufen sie den Frauen den Rang ab und vergessen, wie man draußen im Wald ein Feuerchen macht. Heutzutage gilt es unter vielen Männern als uncool, so zu sein. Männlich. 


Und dann wundern sie sich, weshalb ihre Frauen sie in Bogenschießkurse unterbringen wollen und wenn sie darin versagen, warum die Mädels fremd gehen. Mit dem bärbeißigen Bauarbeiter. Frauen wollen keine besten Freundinnen mit Penis. Sie wollen eine Schulter zum Anlehnen, einen kratzigen drei-Tagebart-Kuss, wollen von starken Armen gehalten werden. Mit androgynen Männern kann man prima quatschen, shoppen und gemeinsam die Hausarbeit erledigen. Aber heißen Sex haben, das kann man nicht mit jemanden, der erst einmal eine Statistik über die Vorlieben auswertet und hinterher die Ergebnisse für den statistisch besten Sex analysiert. Frauen wollen herb an einen nach Schweiß duftenden Körper gezogen und hinterher an die Wand gedrückt werden, wollen sich in einem starken Rücken verbeißen und gehalten werden.


"Intim geschorene Männer sind kahler Wahnsinn", riss Harald mich aus meinen Phantasien.
"Im wahrsten Sinne des Wortes der letzte Schrei!", grinste ich ihn mit einem Auge blinzelnd an.

Harald lachte, jetzt wieder versöhnt.

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