"Sie schmunzelte, als sei ihre Wirkung ein ganz privates Vergnügen, das man wie einen guten Cognac still genießt." Ralf Isau

Mittwoch, 6. Juli 2011

Harry und sein Kissen

"Wenn ich sicher gehen möchte, dass mir kein Mensch glaubt, erzähle ich die Wahrheit" - In diesem Sinne erzähle ich euch heute eine Geschichte, die mir bisher niemand geglaubt hat. Aber so ist das eben: Das Leben erzählt die besten Geschichten. Immer und ausschließlich.

Nennen wir ihn Harry. Harry war stolze dreiundsechzig Jahre alt und Single. Aus Überzeugung Single. Er trieb sich gern in Nobelbars herum und brachte Studentinnen mit nach Hause, indem er mit Geldscheinen winkte und von seinem Appartement erzählte. Die Studentinnen würden jetzt aufbegehren und die Rehkitz-Kulleräuglein verdrehen, weil ja alles total anders gewesen ist, aber letzendlich läuft es doch immer auf dasselbe heraus. Geld stinkt nicht. Und Geld wirkt erfrischender als jede Schönheitsoperation.


Jedenfalls. Harry war mein Arbeitskollege. Er war der Typ Mann, der morgens im Café (in dem wir uns regelmäßig vor der Arbeit trafen), eine ganze Kuchenrolle frühstückte, einfach, weil sie für einen Euro im Angebot war. Er redete gern über Sex und die gute Gesellschaft, über´s Trinken und seine Vergangenheit als hohes Tier in der Stadt. Und eines Tages kam es, wie es kommen musste: Harry lud auch mich ein. In sein Appartement.

Es war schick. Das Weiß seiner Wände und Möbel ließ mich schmutziger fühlen als breitbeinig auf dem Gynäkologen-Stuhl zu sitzen, auf dem ich mich immer schmutzig fühlte, egal, wie oft und gründlich ich mich vor dem Termin gewaschen hatte. Er schreitete sofort zu seiner gläsernen Minibar und servierte mir einen Drink, der es so in sich hatte, dass ich erstmal auf das Sofa plumpste und mich an das einzig farbliche Detail dieser Wohnung kuschelte: ein mintfarbenes Kissen, wahrscheinlich so alt wie Harry selbst, mit einem aufgenähten Schäfchen.

Wir plauderten ein bisschen und natürlich rückte der alte Sack näher und näher. Irgendwann patschte seine Hand auf mein Knie. Seine Haut erinnerte mich an eine ausgeleierte Baumwollunterhose, die am Bund so zerfleddert war, dass sie an der Hüfte immer runterutschte. Harrys Haut war schlapp und dünn. Blaue Äderchen schimmerten darunter wie Flüsse auf der Landkarte. Ich schob die Hand beiseite, stand auf und suchte das Bad.



Als ich aus dem Bad heraus kam, lehnte Harry schon an der Wand gegenüber der Badezimmertür. Ich erschrak so heftig, dass ich zusammen zuckte. Er griff um meine Taile, zog mich an sich und drückte mir einen Alte-Männer-Kuss auf die Lippen. Der Kuss war schlabbrig und nass und ich glaubte, mit einem feuchten, schimmligen Lappen zu knutschen, der seit Jahren ungewaschen in einer süffigen Spüle lag. Wieder schob ich ihn weg.
"Baby," hauchte er an mein Ohr, was mir eine unangenehme Gänsehaut bescherte.
"Darf ich dich rasieren?"

Und dann erzählte er mir etwas, das ich nie wieder vergessen werde: Er würde mich gerne rasieren wollen, um die Schamhaare in dem Haarling der Dusche aufzufangen und diese gründlich zu waschen. Danach würde er die sorgsam gewaschenen Schamhaare in sein Kissen stopfen. In sein Schamhaarkissen. Das mintfarbene, mit aufgenähtem Schäfchen, Schamhaarkissen.


Ich habe dann fluchtartig die Wohnung verlassen, weil ich dachte, ein Mann, der sowas tut, tut noch ganz andere Dinge. 


Einen anderen Job hab ich mir dann auch noch gesucht.







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